Samstag, 28. Juni 2025
Vorfreude auf den Tag und – auf Silvia
Wenn die Welt noch schläft …
Um 5:30 Uhr sitzt Susanne schon wieder auf der Terrasse und genießt die Atmosphäre: Das Meer flappt gegen die Felsen, Schwalben fliegen sirrend über ihr, die Zikaden beginnen ihr Konzert, um bald darauf hin wieder zu verstummen. Heute jedoch ist etwas anders als sonst: Im Wald brennt es, Rauch zieht durch die Luft. Offenbar ist es aber ein kontrollierter Brand, denn nach kurzer Zeit sieht man keinen Qualm mehr. Um 6:40 Uhr ist die Sonne wieder da und schickt bereits jetzt viel Wärme gen Erde.
Heute nur eine kleine Vormittags-Tour
Nachdem wir gestern eine Gewalts-Tour hingelegt haben, ist heute eine kleinere Tour angesagt. Heute wollen wir ins Valle di Diano, dann zum San Bernardo di Conio und über das Valle del Prino wieder zurück. Das sind lediglich 85 Kilometer, sodass wir am Nachmittag locker wieder zurück sein sollten, denn …
Vorfreude auf Silvia
… am Abend steht ein ganz besonderes Wiedersehen an: Wir haben unsere italienische Freundin Silvia nach Diano Marina eingeladen – eine Begegnung, auf die wir uns schon seit Wochen freuen.
- 2001: Vor nunmehr 24 Jahren haben wir Silvia zum ersten Mal in Sanremo getroffen. Sie arbeitete dort auf dem vielleicht schönsten Whale-Watching-Boot seiner Zeit, der „Diana II“ und war verantwortlich für Buchungen, Kundenbetreuung, Dolmetschen – und vermutlich auch dafür, nervöse Delfin-Fans zu beruhigen, wenn es mal nötig war. Silvia machte einfach alles. Ohne sie wäre an Bord der „Diana II“ ganz sicher deutlich weniger gelaufen und ohne sie wäre Ligurien sicher nicht zu einem unserer Lieblings-Reiseziele geworden.
- 2004: Ich habe damals noch Diavorträge in der Volkshochschule gemacht, war es Silvia, die ihre Kontakte spielen ließ, sodass ich morgens um halb vier den „Mercato dei Fiori di Sanremo“ im Valle Armea besuchen und dort fotografieren konnte. Der Zugang war nicht selbstverständlich, und ohne sie hätte ich nie diese Gelegenheit bekommen. Hier werden täglich frische Schnittblumen und mediterrane Floristikprodukte gehandelt; bis zu hunderttausende Schnittstiele und Hunderte Arten jährlich wechseln den Besitzer.
- 2004: Die TV-Sendung „Wunderschön“ zeigte oft Einheimische vor Ort, z. B. Köche – das wollte ich in meinem Diavortrag auch so machen. Also ließ Silvia ihre Kontakte spielen, und ich durfte in der Küche eines ligurischen Restaurants fotografieren, wie der Küchenchef extra für mich „Coniglio alla Ligure“ zubereitete. Ein Schmorgericht mit typischen Aromen: Knoblauch, Rosmarin, Thymian, Mangold, Oliven, Wein, Pinienkerne. Natürlich wurde es nicht nur fotografiert, sondern auch gegessen. Mir läuft heute noch das Wasser im Mund zusammen.
- 2012: Ich war nach Genau geflogen und fuhr dann mit dem Zug weiter. Irgendwo blieb der Zug liegen. In meiner Not rief ich Susanne zu Hause an. Susanne rief Silvia an, Silvia rief mich an: „Wo bist du?“ „Ich seh‘ vom Bahnhof aus eine Leuchtreklame Fratelli Carli oder so .“ „Dann weiß ich, wo du bist, ich hole dich ab.“ Keine halbe Stunde später stand sie da mit ihrem roten Panda. „Du hast doch sicher Hunger!“, meinte sie und lud mich kurzerhand in ein Restaurant ein. Anschließend besorgte sie mir ein Quartier, damit ich erst mal ankommen konnte.
- 2018: Als ich im Frühjahrs-Urlaub krank wurde, war es Silvia, die sofort reagierte. Während andere noch fragten, was los sei, hatte sie bereits einen Arzt ausfindig gemacht und organisiert, dass ich untersucht wurde. Ich hatte starke Schmerzen im Knie und konnte plötzlich nicht mehr gehen – von einer Minute auf die nächste war ich auf Hilfe angewiesen. Kein schöner Moment, erst recht nicht im Ausland, fernab von der gewohnten Umgebung und den vertrauten Abläufen, die man – bis sie plötzlich fehlen – zu Hause nie hinterfragt.
Schon 2001 hat es also vom ersten Moment an zwischen Silvia, Susanne, unserem Yorkie Chicco und mir „gefunkt“. Es war eine dieser seltenen Begegnungen, bei denen man sofort weiß: Da ist eine Verbindung, die bleibt. Und das hat sich bestätigt. Über die Jahre hinweg gab es immer wieder Treffen – mal in Ligurien, mal in Deutschland. Nicht oft, aber jedes Mal besonders. Selbst wenn zwischen den Begegnungen Jahre lagen, war es beim nächsten Mal sofort wieder da, dieses vertraute Gefühl. Silvia ist nicht nur eine Freundin, Silvia ist ein Phänomen.
Frühstück und Agriturismo
Offenbar sind wir von gestern noch so kaputt, dass es heute keinen Morgenspaziergang durch Cervo gibt, sondern „nur“ Terrasse, ein Weilchen da sitzen. Nachdem die Sonne wieder herunterknallt, geh’n wir ins Zimmer, duschen. Anschließend geht’s direkt zum Frühstück.
- Vom Frühstücksraum hoch zu unserem Quartier
- Romantische Deckenbeleuchtung
Beim Frühstück sitzen wir, wie immer, in der kleinen Küche im ersten Stock. Monika und Viktor sind gestern abgereist. Unsere neuen Mitbewohner sind zwei junge Italiener aus der Gegend um Mailand.
Dass wir auch mit denen so gut klarkommen, liegt sicher an Giampaolo, unserem Vermieter. Mit seiner entspannten Art schafft er es irgendwie, dass alle hier ein bisschen Familie sind – obwohl wir uns kaum kennen. Das liegt aber vor allem am sogenannten System „Agriturismo“, das auch im „Eco del Mare“ betrieben wird.
Typische Merkmale des Agriturismo sind:
- ländliche Lage der Unterkunft
- dass der Zimmervermieter noch offiziell Landwirtschaft betreibt und seine Einnahmen überwiegend aus Landwirtschaft bezieht und nicht nur aus Tourismus
- dass es hausgemachte Speisen gibt mit Produkten vom Hof oder der Umgebung
- dass die Unterkunft authentisch ist, meist rustikal, aber stilvoll renoviert (Neubauten in Städten gehen gar nicht!) und
- dass man dort in engen, persönlichen Kontakt mir der Familie kommt.
Die Gespräche im Frühstücksraum sind ein wilder Mix aus Italienisch, Englisch, ein bisschen Deutsch, vielen Gesten und noch mehr Lachen.
Dann bringt uns Giampaolo unseren Käse-Schinken-Toast. Nachdem wir die Woche über sahen, dass Monika und Viktor zum Kaffee immer Toast, Käse, Schinken, Salami oder Eier, oft auch Obst oder Joghurt hatten, haben wir Giampaolo gestern gesagt, dass wir eigentlich auch lieber was Herzhaftes hätten als das, was wir bisher bekamen, nämlich Croissant, Marmelade, Kekse und Kuchen.
Kein Problem, und Giampaolo erklärt uns heute, dass es im Prinzip zwei Arten von Frühstück gibt, das süße („colazione all’italiana“) und das herzhafte („colazione salata“). Manchmal auch eine Mischung aus beidem – für die besonders Hungrigen – das nennt man dann („colazione continentale“).
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| Treffen mit Silvia |






